Das Lieferkettengesetz kommt!

Bild: Daliah Immel Fotografie

Das war aber knapp. Das war eine Einigung in sprichwörtlich letzter Minute – kurz vor der Bundestagswahl.

Die CDU hat nachverhandelt – im Sinne der Wirtschaft

Nachdem die CDU sich noch einmal Zeit für eine interne Diskussion erbeten hatte, kam es nun endlich zu einer Einigung.

Zum vorgelegten Entwurf des Arbeitsministers haben sich vor allem zwei Dinge geändert bzw. sie wurden verändern:

  • Das zivilrechtliche Haftungsrisiko für Unternehmen wird gesetzlich eindeutig ausgeschlossen.
  • Die Sorgfaltspflicht soll nun auch für große deutsche Niederlassungen ausländischer Unternehmen gelten.

Ziel der Union war vor allem, dass das Gesetz für die Wirtschaft auch umsetzbar sein müsse. Das mit den Menschenrechten scheint da ein wenig in den Hintergrund zu treten. Kann ja mal passieren.

Und obwohl die Wirtschaft die Einigung lobt, wie z.B. der BDA, halten viele das Gesetz für „überregulierend und überflüssig“. Der Hauptgeschäftsführer das Arbeitgeberverbands Gesamtmetall sagt sogar über das Lieferkettengesetz, dass es „das dümmste Gesetz ist, dass von der großen Koalition verabschiedet wurde.“

Das lässt irgendwie tief blicken.

 

Zum Lieferkettengesetz und zur Notwendigkeit dessen, habe ich im Februar schonmal einen längeren Text auf Facebook veröffentlich. Ich zitiere mich deshalb einfach selbst.

 

„Lieferkettengesetz – Brauchen wir das wirklich?

Coltanabbau im Kongo, Nähstuben in Bangladesch, Kakaoplantagen – was haben diese Orte gemein? Überall dort arbeiten Menschen zu Hungerlöhnen. Teilweise handelt es sich um die Kinder, die keine 12 Jahre alt sind und schon 14 Stunden und mehr schuften.

Auch, damit wir in Europa günstig einkaufen können. Und nein, das ist KEINE Kritik an denjenigen, die jeden Cent für neue Schuhe zusammensparen müssen und folglich zu günstigen Produkten greifen.

Bisher ist es so, dass Unternehmen in Deutschland praktisch keine Verpflichtung haben, sich ihre Zulieferer genau anzuschauen und dort auf die Einhaltung bestimmter Standards zu achten. Bisher läuft das alles unter Freiwilligkeit. Die Unternehmen, die sich bestimmten Siegeln angeschlossen haben, tun das entweder aus Überzeugung oder aus strategischen Gründen, weil es sich eben gut vermarkten lässt.

Wir brauchen ein Gesetz, welches die Menschen im Kongo, in Bangladesch und anderswo vor katastrophalen Arbeitsbedingungen schützt. Wir brauchen ein Gesetz, welches Umweltstandards vorgibt, die global gelten. Was nutzt es, wenn Unternehmen hier in Deutschland eine gute Ökobilanz ausweisen, ihre Produkte bzw. deren Herstellung aber andernorts große Umweltschäden verursachen?

 

Freiwillige Verpflichtungen sind de facto wirkungslos

Die freiwilligen Verpflichtungen in den vergangenen Jahren haben kaum eine Veränderung bewirkt. Den Lieferanten fehlt die Verhandlungsmacht, sie sind von den Weltkonzernen abhängig. Deshalb – davon bin ich fest überzeugt – muss der Gesetzgeber die Unternehmen in die Pflicht nehmen.

Bei der presseöffentlichen Vorstellung des Gesetzentwurfs sagte Hubertus Heil (SPD) den, für mich, alles entscheidenden Satz: „Es geht um Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dort steht NICHT die Würde des deutschen Menschen ist unantastbar.“

Damit hat er vollkommen Recht. Deshalb ist der vorliegende Gesetzentwurf auch umso enttäuschender in seiner Ausgestaltung, auch wenn er vielleicht zum bisher stärksten Gesetz in Europa führen würde.

Die Lobbyisten der deutschen Wirtschaft haben im Vorfeld ganze Arbeit geleistet, um den ersten Referentenentwurf größtmöglich abzuschwächen.

Die Zahl der Mitarbeiter wurde seitdem deutlich erhöht, so dass von den ehemals 7100 betroffenen Unternehmen nur noch 2900 übrigbleiben. Es geht auch jetzt nur noch um den letzten direkten Zulieferer, alles davor spielt keine Rolle mehr. Die zivilrechtliche Haftung ist raus und auch Umweltstandards wurden nur marginal berücksichtigt.

Und selbst jetzt laufen die Unternehmen noch Sturm. Das vermeintlich stärkste Argument: Das kostet zu viel und würde am Ende auf die Preise für den Endverbraucher umgelegt.

Ich verstehe sehr gut, dass dies die Menschen dann verunsichert.

 

Die Einhaltung der Sorgfaltspflicht sollte nicht vom Geld abhängen – zumal das nicht Welt die kostet

Es gibt eine Studie der EU-Kommission zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen (Titel: Study on due diligence requirements through the supply chain), die im Februar 2020 veröffentlich wurde, die sich auch damit befasst, welche Kosten solche Maßnahmen verursachen. Dort ist nachzulesen, dass die Kosten knapp 0,0050% vom Jahresumsatz betragen.

Der Sachverständigenrat Wirtschaft kommt zum gleichen Ergebnis, wie die Studie der EU-Kommission. Von einem sprunghaften Anstieg der Kosten kann also keine Rede sein und selbst wenn diese vollständig auf den Endverbraucher umgelegt würden, kann auch hier in den allermeisten Fällen von einer Preissteigerung im Cent-Bereich ausgegangen werden.

Aber selbst gegen diesen abgeschwächten Gesetzentwurf laufen die Lobbyisten Sturm.

Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. hat in seiner Pressemeldung vom 12.02.2021 die CDU-Bundestagsfraktion aufgefordert diesen Gesetzentwurf zu stoppen. Die SPD habe sich gegen jeden wirtschaftlichen Sachverstand durchgesetzt und arbeite stur ihre linksideologischen Themen ab.

So viel Mumpitz in zwei Sätzen. Wenn Unternehmen durch dieses Gesetz tatsächlich in eine Schieflage kämen (ich erinnere: Wir reden hier von Kosten in Höhe von knapp 0,0050% des Jahresumsatzes), lägen die Probleme höchstwahrscheinlich sehr viel tiefer.

Darüber hinaus frage ich mich, wie weit man sich von der SOZIALEN Marktwirtschaft (als deren Stimme sich der Wirtschaftsrat der CDU e.V. begreift) entfernt hat, wenn man den Versuch menschenwürdige Arbeitsbedingungen und ein Mindestmaß an Umweltstandards weltweit zu implementieren als „Abarbeiten linksideologischer Themen“ tituliert?“