Wie gerecht ist Deutschland?
Immer wieder diskutieren wir in Deutschland über die zunehmende Ungleichheit. Mindestens schon seit ich aktiv bin – und das ist schon eine ganze Weile. Die Schieflage bei der Vermögensentwicklung der letzten Jahrzehnte erfordert schon lange, das ist auch durchaus eine selbstkritische Anmerkung, politische Entscheidungen zur Korrektur.
Als „Maßnahme der Wahl“ wurde lange die Erbschaftssteuer angesehen. Allerdings besteht hier, wie die schwierigen Diskussionen darum zeigten, kaum Raum für eine weitreichende Reform. Dennoch müssen wir alles daransetzen, die weitere Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Darüber hinaus müssen wir die überdurchschnittlichen Beiträge der Mittelschicht zum Gemeinwohl zu reduzieren. Zu viel lastet auf den Schultern der sogenannten Mittelschicht.
Öffentliche Daseinsvorsorge muss finanziert werden
Außer Frage steht jedoch, dass wir die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge finanzieren müssen. Der Bund muss die Städte und Kommunen in die Lage versetzen, allen ein lebenswertes Zuhause bieten zu können: Also der Rentnerin ebenso wie dem Busfahrer oder der alleinerziehenden Mutter mit ihrer Familie.
Wir brauchen in Deutschland eine gute Infrastruktur und müssen in Digitalisierung investieren. Wir müssen den Klimawandel stoppen, ohne dass dies zu einer zu großen Belastung für die führt, die ohnehin wenig haben. Gesellschaften sind dann solidarisch, wenn die damit einhergehenden Kosten gerecht verteilt werden – nach dem bewährten Prinzip, dass alle ihrem finanziellen Leistungsvermögen entsprechend beitragen. Wir wollen, dass es deutlicher als bisher zur Geltung kommt. Im Moment ist es nämlich so, dass gerade die Menschen, die Einkommenssteuer zahlen einen großen Teil der Last tragen.
Die Frage nach einer Wieder-Erhebung der Vermögensteuer ist für mich also auch eine Frage der Gerechtigkeit. Seit 1997, seitdem wurde die Vermögensteuer nicht mehr erhoben, hat die Schieflage der Vermögensverteilung deutlich zugenommen und war deshalb immer wieder Gegenstand gesellschaftlicher Debatten. Für mich ist die Vermögensteuer ein gutes Instrument, um die Menschen, die hohe und höchste Vermögen besitzen an der Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge zu beteiligen.
Die Corona-Pandemie hat gravierende Auswirkungen. Auch auf die öffentlichen Haushalte. Während die Steuereinnahmen zurückgehen, sind die staatlichen Ausgaben gestiegen. Es wäre jedoch ein Fehler jetzt auf notwendige Zukunftsinvestitionen zu verzichten. Wer diesen Weg verfolgt, setzt unsere Zukunft aufs Spiel oder nimmt harte Einschnitte in den Sozialstaat in Kauf.
Für ein gerechtes Steuersystem
Die Besteuerung von Einkommen werden wir gerechter gestalten. Das aktuelle Steuersystem nimmt gerade mittlere Einkommen zu stark in Anspruch.
- Die Einkommenssteuer für die Mehrheit wird gesenkt, u.a. durch einen höheren Freibetrag (d.h. erst ab einem höheren Einkommen als heute setzt die Besteuerung ein)
- Für diejenigen, die besonders viel verdienen, soll es einen Aufschlag von drei Prozentpunkten zur Einkommensteuer geben. Er soll künftig bei Verheirateten für den zu versteuernden Einkommensanteil oberhalb von 500.000 Euro im Jahr, bei Ledigen ab 250.000 Euro im Jahr gelten.
Die im Zukunftsprogramm festgeschriebene Einkommensteuerreform wird kleine und mittlere Einkommen besserstellen, die Kaufkraft stärken und dafür im Gegenzug die oberen fünf Prozent stärker für die Finanzierung der wichtigen öffentlichen Aufgaben heranziehen.
Neben einer konsequenten Steuerreform ist aber auch wichtig, dieser dann auch „zur Geltung“ zu verhelfen. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt und darüber hinaus auch im höchsten Maße unsolidarisch. Gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Steuerbetrug müssen wir konsequent vorgehen.
Wichtig ist:
- Die Einführung einer nationalen Anzeigepflicht.
- Die Umgehung der Grunderwerbsteuer (Share Deals) beenden.
- Der Umsatzsteuerbetrug bei Karussellgeschäften auf europäischer Ebene muss beendet werden.
- Die öffentliche Transparenz ist ein gutes Mittel, um Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Wir werden Steuervermeidung mit einem öffentlichen Reporting großer, international agierender Unternehmen eindämmen (Public Country-by-Country-Reporting).
- Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Manager*innengehältern sollte begrenzt, und zwar auf das 15-fache des Durchschnittseinkommens der Beschäftigten in dem Betrieb, in dem die Manager*in beschäftigt ist.
Aus meiner Sicht wäre es jedoch darüber hinaus noch besonders wichtig, die Vermögenssteuer wieder in Kraft zu setzen, auch um die Finanzkraft der Länder für wichtige Zukunftsaufgaben zu erhöhen.
Für mich gilt: Wer sehr viel Vermögen hat, muss einen größeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten als bisher. Ich halte es für ungerecht, dass hier die Einkommen aus einer Beschäftigung in größerem Maße herangezogen werden.
So könnte eine Vermögenssteuer aussehen:
- Einheitlicher Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen
- Hohe Freibeträge sollen sicherstellen, dass die Vermögenssteuer nur den besonders vermögenden Bevölkerungsteil betrifft
- Die Grundlage von Betrieben wird bei der Vermögenssteuer geschont, damit keine Arbeitsplätze gefährdet werden.
[Exkurs zur Vermögenssteuer und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Im Jahr 1995 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Erhebung der Vermögensteuer für verfassungswidrig. Das Verfassungsgericht argumentierte, dass, wenn der Gesetzgeber einen einheitlichen Steuertarif festlegt, er alle Vermögensgegenstände realitätsgerecht bewerten muss. Durch die Verwendung der deutlich überalterten und damit weit geringeren Verkehrswerte für Immobilien – der Einheitswerte von 1935 im Osten und 1964 im Westen – gegenüber anderem Kapitalvermögen (z.B. Aktien) wurden Immobilien stark begünstigt. Nach Erhebungen des Bundesrechnungshofes 1991 entsprachen die Grundbesitz- Einheitswerte schon Ende der 80er Jahre im Mittel nur noch ca. zehn bis 20 Prozent der Verkehrswerte. Das Gericht empfahl, Immobilien gegenwartsnah/höher zu bewerten und damit der Besteuerung der übrigen Vermögensarten anzupassen. Denn darum ging es: Geld und andere Vermögensarten waren ungleich bewertet (Geld und Aktien zum Marktwert, Immobilien aber nach alten Einheitswerten). Das Vermögensteuergesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht keineswegs grundsätzlich für nichtig erklärt, aber da keine Neuregelung der Bewertungsvorgaben im Rahmen des Bewertungsrechts für die Vermögensteuer erfolgte, darf die Steuer seit dem 1.1.1997 nicht mehr erhoben werden.]