Wie schaut es aus auf dem Ausbildungsmarkt?
Vor kurzem hat ein neues Ausbildungsjahr begonnen. Ein guter Moment, um die berufliche Ausbildung verstärkt in den Fokus zu rücken. Denn noch immer ist für viele nur Abitur und ein Studium erstrebenswert, fast so, als wäre eine Berufsausbildung weniger wert oder würde einen zu einem Menschen zweiter Klasse machen. Nichts davon ist wahr. Auch wenn es in vielen Köpfen noch so verankert ist. Ausbildung macht, wer ein Abitur nicht schafft. Was für ein Humbug.
Die duale Ausbildung ist weltweit nicht nur äußerst angesehen und dient als Vorbild, nein, auch unsere ausgebildeten Fachkräfte genießen im Ausland einen unbeschreiblich guten Ruf. Deshalb sollten wir alles daransetzen, es auch so zu halten.
Aber: Der Ausbildungsmarkt war schon vor Corona in einer schwierigen Situation. Das droht sich gerne weiter zu verschärfen. Bundesweit betrachtet gibt e nach wie vor nicht für alle Ausbildungsinteressierte einen Ausbildungsplatz; auch wenn das natürlich regional und auch branchenspezifisch sehr unterschiedlich ist.
Deshalb brauchen wir einen gesetzlich garantierten Anspruch auf einen Ausbildungsplatz.
Wie schaut es aus in der Ausbildung?
Fast 40 Prozent (39,1 %) der Auszubildenden wissen selbst im letzten Ausbildungsjahr noch immer nicht, ob sie von ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen werden. Von den Auszubildenden im dritten Ausbildungsjahr, die bereits wussten, dass sie nicht übernommen werden, hatten lediglich 14,4 Prozent eine Zusage für eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb. Die Chancen auf eine Übernahme hängen stark vom jeweiligen Ausbildungsberuf ab. Befristung Auszubildende mit Übernahmezusage werden zu knapp 30 Prozent nur zeitlich befristet eingestellt, zumeist bis höchstens ein Jahr.
Wo hakt es?
Obwohl es Auszubildenden unter 18 Jahren verboten ist, mehr als 40 Stunden pro Woche zu arbeiten, muss dies jeder zehnte Jugendliche (10,4 %) in dem Alter trotzdem tun.
Knapp ein Viertel der Auszubildenden (24,7 %) kann sich nach der Ausbildung nicht mehr richtig erholen, weil die Ausbildung immens hohe Anforderungen stellt. Eine Berufsausbildung darf aber nicht zu Überlastungssymptomen führen, die krank machen können.
Mehr als ein Drittel der Auszubildenden (34,4 %) hat keinen betrieblichen Ausbildungsplan obwohl dieser gesetzlich vorgeschrieben ist. Deshalb wissen diese Auszubildenden nicht, wie ihre Ausbildung ablaufen soll und was die Lerninhalte sind. Ein weiterer Grund für Stress.
Viele Azubis würden gern in einer eigenen Wohnung leben. Doch nur ein kleiner Teil der Auszubildenden kann sich diesen Wunsch erfüllen: lediglich ein Viertel (26,6 %) der Auszubildenden lebt in einer eigenen Wohnung. Mehr bezahlbarer Wohnraum für Auszubildende ist notwendig. Meist sind es die, die wohnortnah keinen Ausbildungsplatz finden konnten und erst weiter weg fündig wurden.
Über ein Drittel der Auszubildenden im Jahr 2020 kann ihren Ausbildungsbetrieb nur schlecht oder gar nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Auch der Weg zur Berufsschule ist für fast jeden fünften Azubi ein Weg mit großen Hindernissen.
Ausbildung ist wichtig, weil uns ein immenser Fachkräftemangel droht. Aber auch, weil jeder Mensch, das Recht hat, sich frei zu entfalten. Dazu gehört auch die Wahl des Bildungsgangs. Die duale Ausbildung ist genauso wertvoll, wie ein Studium! So müssen wir sie auch behandeln. Auch das ist eine Frage des Respekts.
Konkret bedeutet das für mich:
- ein Berufsbildungsgesetz, das alle Formen der betrieblichen Ausbildung erfasst und Qualitätsstandards festschreibt. Junge Menschen müssen von den Kosten entlastet werden, die aufgrund der Ausbildung entstehen und Mitbestimmung muss auch an Berufsschulen ermöglicht werden.
- eine bessere Ausstattung von Berufsschulen
- ein kostenloses Azubi-Ticket
- ein Ausbau des ÖPNV gerade im ländlichen Raum, damit Azubis ihren Ausbildungsbetrieb auch gut erreichen
- einen Ausbau an günstigem Wohnraum für Auszubildende
- eine Ausbildungsumlage. Denn: Ausbildung ist aufwendig und kostet Zeit. Aber man kann nicht einerseits den Fachkräftemangel beklagen und dann die Ausbildung dieser anderen überlassen