Mehr Zeit fürs Leben
Auf einen Blick:
- Neue Arbeitszeitmodelle denken; z.B. Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich
- Flexible und selbstbestimmte Arbeitszeitmodelle, die Lebensumstände berücksichtigen und ein echtes Rückkehrrecht in Vollzeit
- Digitalisierung, Homeoffice, Mobiles Arbeiten – zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich
Die Produktivitätssteigerungen in Unternehmen zum Beispiel durch Digitalisierung, Automatisierung und neue Formen der Arbeitsorganisation dürfen sich nicht nur in höheren Profiten niederschlagen. Wir könnten sie auch nutzen, um mehr Freizeit für uns zu schaffen, durch Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnerhalt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt schließlich viele, vor allem Frauen, immer wieder vor Herausforderungen. Viele Menschen wünschen sich mehr Zeit für die Familie, Zeit für ehrenamtliches Engagement, Sport, Freizeitaktivitäten, Weiterbildung. Geringere Wochenarbeitszeiten bedeuten außerdem nicht nur mehr Freizeit, sondern auch eine bessere Verhandlungsposition Arbeitender und Arbeitssuchender bei Gehalt und Arbeitsbedingungen. Voraussetzung dafür ist aber, dass wir die Entscheidung, wie wir unsere höhere Produktivität nutzen, nicht Einzelnen überlassen. Wir alle, die mit all den verschiedenen Tätigkeiten unsere Gesellschaft am Laufen halten, haben deshalb ein Interesse daran, gemeinsam und demokratisch darüber zu bestimmen, wie wir arbeiten und unser gesellschaftliches Leben gestalten wollen.
Das WSI (Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung) hat in einer Studie ermittelt, dass Länder mit kurzen Arbeitszeiten (wobei hier die durchschnittliche Arbeitszeit aus Voll- und Teilzeitarbeit ermittelt wurde) eine deutlich höhere Arbeitsproduktivität haben, das die Leistungsfähigkeit und die Konzentration höher ist und weniger Fehler gemacht werden.
[EXKURS
Effizienter, engagierter und weniger gestresst
Ein Arbeitsmodell, das einer gleichberechtigten Aufteilung der Familienarbeit womöglich dienlicher ist, hat der neuseeländische Finanzdienstleister Perpetual Guardian eingeführt. Das Unternehmen bot seinen 240 Mitarbeitern im Herbst 2018 optional eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich an. Die Entscheidung fiel nach einem im Frühjahr 2018 durchgeführten zweimonatigen Testlauf, der von der University of Auckland wissenschaftlich begleitet wurde und durchweg positive Entwicklungen für alle Bewertungsfaktoren aufzeigte. So stieg die Produktivität um 20 Prozent, da die Mitarbeiter ihre Arbeit stärker fokussieren und so in vier Tagen die gleiche Leistung erbringen wie vorher in fünf. Trotzdem sank das Stresslevel von 45 auf 38 Prozent. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbesserte sich von 54 auf 78 Prozent. Und das Engagement stieg um 18 bis 20 Prozent.
Dem Test war ein intensiver Austausch mit den Mitarbeitern vorausgegangen. Dabei ging es insbesondere darum, wie der vorherige Output auch weiterhin sichergestellt werden kann. Folgende Aspekte sind, laut wissenschaftlicher Begleitung, erfolgsentscheidend für eine Vier-Tage-Woche:
- Klare Richtlinien für die Unternehmensproduktivität
- Flexible Unternehmenskultur
- Zustimmung von Management und Mitarbeitern
- Regelmäßige Überprüfung des Outputs]
Flexible und selbstbestimmte Arbeitszeitmodelle, die Lebensumstände berücksichtigen und ein echtes Rückkehrrecht in Vollzeit
Ich bin für eine Kehrtwende – Heute richtet sich unser Leben überwiegend nach den Anforderungen unserer Jobs. Ich will, dass sich in Zukunft unsere Jobs mehr nach unserem Leben richten. Arbeit muss an sich verändernde Lebenssituationen und – umstände anpassbar werden. Es muss möglich sein, in Deutschland ohne Existenzängste eine Familie gründen zu können, eine Auszeit zu nehmen, Weiterbildungen zu besuchen oder Angehörige zu pflegen. Deshalb brauchen wir in allen Betrieben die Möglichkeit Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. Nach einer Verkürzung der Arbeitszeit brauchen wir ein Rückkehrrecht in Vollzeit für alle Betriebe, auch in jenen, die bislang davon ausgenommen sind. Auch muss die Möglichkeit, ohne Arbeitsplatzverlust und damit dem Verlust der finanziellen Sicherheit eine zeitlich begrenzte berufliche Auszeit nehmen zu können, in allen Betrieben ermöglicht werden.
Digitalisierung, Homeoffice, Mobiles Arbeiten – zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Durch die Pandemie ist das mobile Arbeiten im Homeoffice besonders in den Fokus geraten. Homeoffice kann eine Möglichkeit sein, die Arbeitszeit flexibler zu gestalten und damit Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Wir brauchen konkrete Regelungen um Mitarbeitern eine stärkere betriebliche Mitbestimmung zu verschaffen. Wir müssen der Entgrenzung von Arbeits – und Freizeit mit einem Recht auf Nichterreichbarkeit entgegenwirken. Unternehmen müssen die nötigen technischen Voraussetzungen für das mobile Arbeiten liefern und Homeoffice muss die Wahl bleiben und darf nicht zur Pflicht werden. Außerdem brauchen wir eine Zeiterfassung für mobiles Arbeiten, um unbezahlte Überstunden zu verhindern und Ruhezeiten einzuhalten.